Der Christ schaut auf sich selbst

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In Rö 7,13-25 gibt Paulus die Beschreibung eines Menschen, der mit dem eigenen Versagen ringt. Paulus wirft mit den Augen des Glaubens einen Blick auf seinen eigenen inneren Kampf.


Rö 7,13-25: „Hat nun das Gute mir den Tod gebracht? Das sei ferne! Sondern die Sünde hat, damit sie als Sünde offenbar werde, durch das Gute meinen Tod bewirkt, damit die Sünde überaus sündig würde durch das Gebot. Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft. Denn was ich vollbringe, billige ich nicht; denn ich tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das übe ich aus. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so stimme ich dem Gesetz zu, dass es gut ist. Jetzt aber vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; das Wollen ist zwar bei mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten gelingt mir nicht. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das verübe ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Ich finde also das Gesetz vor, wonach mir, der ich das Gute tun will, das Böse anhängt. Denn ich habe Lust an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen; ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das gegen das Gesetz meiner Gesinnung streitet und mich gefangen nimmt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist. Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Todesleib? Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!  So diene ich selbst nun mit der Gesinnung dem Gesetz Gottes, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde.“

 

In den Versen 13-25 gibt Paulus die Beschreibung eines Menschen, der mit dem eigenen Versagen ringt. Die großen Fragen lauten: Geht es hier um Paulus oder um einen anderen Menschen? Geht es um einen Christen oder um einen nicht wiedergeborenen Menschen?
 

Die Ausleger sind hierüber geteilter Meinung:

  • Einige sagen, dass Paulus seinen eigenen Kampf der Heiligung beschreibt, nachdem er bereits gerettet worden ist. Sie sehen diese Passage als eine Stelle an, welche am persönlichen Beispiel des Paulus über das normale Christenleben redet.
     
  • Andere wiederum meinen, dass die Stelle einen nicht wiedergeborenen Menschen beschreibt, welcher versucht, ohne die Kraft des Heiligen Geistes die Sünde in seinem Leben in eigener Kraft allein durch das Halten des Gesetzes zu besiegen.
     

Die Wahrheit liegt möglicherweise in der Mitte. Paulus schrieb diese Worte, als er bereits ein Christ war. In dieser Passage wirft er mit den Augen des Glaubens einen Blick auf seinen eigenen inneren Kampf. Er ist nun ein Christ, aber er hat noch immer mit den Regungen seines sündigen Leibes zu ringen. Die Sünde in seinen Gliedern fordert ihn ständig heraus, und er muss sie Tag für Tag in der Kraft Christi im Tode halten. Erst am Ende wird er vom Leib des Todes endgültig erlöst sein, wenn er leiblich stirbt und zum Herrn eingeht. Schon heute kann er überwinden, aber nur dann, wenn er sich nicht auf seine eigene Kraft verlässt, sondern allein auf die Kraft des Herrn in ihm. Das was damals für Paulus galt, gilt heute ebenso für uns. Mehrere Argumente sprechen für diese Auslegung.
 

Erstens: Die Verse 13-25 sind eine weitere Ausarbeitung der kurzen Aussagen aus Vers 4-6. Vers 5 beschreibt eindeutig den Zustand eines unerretteten Menschen. Der unerrettete Mensch ist der Sünde ausgeliefert, er wird nach Vers 6 völlig darin festgehalten und kann sich nicht daraus befreien. Vers 13 kommt genau auf die Aussage von Vers 5 zurück und sagt noch mehr dazu. Die Aussagen von Vers 14-25 sind auf dreifache Weise durch die Präposition „denn“ mit Vers 13 verbunden, um den Zusammenhang des Textes abzusichern.
 

Zweitens: In den Versen 13-25 findet sich keine Erwähnung des Heiligen Geistes oder seiner Kraft zur Überwindung der Sünde. Im Gegensatz dazu finden sich mehr als zehn Hinweise auf den Heiligen Geist und sein Wirken in Kapitel 8. Diese Tatsache darf nicht übersehen werden. Zwischen Kapitel 7 und 8 wird eine geistliche Grenze überschritten. Wir können hier erkennen, dass sowohl Paulus damals als auch wir heute so lange keinen Sieg über die Sünde in unserem täglichen Leben haben können, wie wir auf unsere eigene Kraft schauen und nicht auf den Geist Christi, der in uns wohnt. In Kapitel 7 illustriert uns Paulus die falsche Blickrichtung. Er schaut nicht auf die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes in sich selbst. Der Heilige Geist ist der Überwinder und Tröster in Paulus und in uns. Wir müssen auf ihn vertrauen, um schon heute die sündigen Regungen des Leibes zu besiegen. Wir müssen uns ständig der Gegenwart Christi in uns bewusst sein. Wir sind in Christus, und Christus ist in uns. Nur so geht es.
 

Drittens: Die Stimmung der Frustration und der Niedergeschlagenheit in den Versen 13-25 passt nicht zu der Stimmung des Sieges, welche in den Beschreibungen des Paulus über das siegeiche Christenleben so kennzeichnend ist. In Gal 5 beschreibt Paulus den Kampf zwischen Fleisch und Geist, aber dies geschieht eindeutig in einer Atmosphäre des Sieges. Der Kampf in Rö 7 atmet die Atmosphäre der Niederlage, ja der Verzweiflung. Erst an der Grenze zu Kapitel 8 erscheint der Sieger.
 

Viertens: Rö 7,25 erwähnt das Selbst des ringenden Menschen. „So diene ich nun selbst …“ Nach Ansicht vieler Ausleger ist diese Betonung des Selbst ein klarer Hinweis auf den unerretteten Paulus, welcher in eigener Kraft nach seinem Geist Gott diente und trotzdem immer wieder der Macht des Fleisches unterlegen war, welches über ihn herrschte. Diese Auslegung ist jedoch bei näherer Betrachtung nicht aufrecht zu erhalten. Es ist vielmehr so, dass Paulus uns hier beschreibt wie es ihm ergeht, wenn er als Gläubiger versucht, den Regungen seines sündigen Leibes in eigener Kraft zu widerstehen. Dies gelingt ihm nicht, und er muss noch immer das vollbringen was er selbst nicht will. Nur wenn er auf Christus schaut und die Kraft des Herrn in Anspruch nimmt, kann er den Sieg davontragen. Das ist auch heute noch der Kampf des Christen im täglichen Leben. Der endgültige Sieg und die Erlösung vom Leib kommen erst beim leiblichen Tod und beim Eingang in die unmittelbare Gegenwart des Herrn.
 

Fünftens: Der große geistliche Sprung zwischen Kapitel 7 und 8 ist auffallend. Das Gesetz (oder: die Macht, das Prinzip) des Lebens in Christus macht frei von dem Gesetz (oder: der Macht, dem Prinzip) der Sünde und des Todes. Die Neuschöpfung in Christus, dem zweiten Adam, also der neue Mensch, ist befreit von dem Druck und von der hoffnungslosen Verlorenheit des alten Menschen. Auffällig ist hierbei, dass 8,2 eine Rekapitulation von 7,6 ist. Man kann daher sagen, dass die Verse 7,7-25 eine Art Zwischenspiel sind, welches in dramatischer Weise die Aussagen von 7,5 ausmalt, um dann in 8,1-2 zur Rekapitulation der Aussage von 7,6 zu kommen.

Kapitel 8 zeigt uns somit das Leben eines Christen, welcher gelernt hat, in seinem Kampf auf die Kraft Christi zu vertrauen, und nicht mehr auf seine eigene Kraft. Dieser Christ weiß ganz sicher, dass es für ihn keine Verdammnis mehr gibt, weil er in Christus freigemacht ist. Er weiß, dass er nicht mehr verlorengehen kann, wenn er hin und wieder noch sündigt. Mit manchen Sünden wird er lebenslang zu ringen haben und er wird auch manchmal noch zum Herrn seufzen und flehen müssen über sein eigenes Versagen. Er wird immer wieder dem Herrn seine Sünden bekennen. Allerdings wird er dies tun können in dem sicheren Wissen, dass er niemals mehr verlorengehen kann und am Ende den Herrn in der Herrlichkeit schauen wird. Dieses Bewusstsein führt zum Sieg des Christen im irdischen Leben. Es verleiht dem Christen auf dem Rest seines irdischen Weges immer mehr die Fähigkeit, der Sünde abzusagen und praktisch geheiligt zu werden.
 

Sechstens: Rö 8,4 lehrt, dass Christus kam, damit die vom Gesetz geforderte Gerechtigkeit in uns erfüllt würde. Nicht nur für uns, sondern in uns. Dies bedeutet, dass Gläubige unter der Führung des Heiligen Geistes und in seiner Kraft bereits in dem jetzigen Leben die Sünde immer mehr besiegen können. Noch nicht in Vollkommenheit, aber doch in beträchtlichem Ausmaß. Die Vollkommenheit wird erst bei der Ankunft des Herrn sichtbar geoffenbart werden.

 

Zusammenfassung

Was wir somit in Rö 7,13-25 finden, ist nicht eine Beschreibung des unerretteten Menschen. Es ist vielmehr das Beispiel des Paulus, an welchem wir erkennen sollen, wie es einem Christen im täglichen Kampf gegen die Sünde in seinen Gliedern ergehen wird, wenn er in diesem Kampf auf seine eigene Kraft vertraut, und nicht auf die Kraft des lebendigen Herrn, welcher durch den Heiligen Geist in dem Christen wohnt. Diese Beschreibung muss wohl besonders starken Eindruck auf die jüdischen Leser des Römerbriefes gemacht haben, welche ja in der Gefahr standen, in ihrem Unglauben ihre eigene Gerechtigkeit aus eigener Kraft vor Gott aufzurichten und dadurch auf ewig verloren zu gehen.

Die gereiften Christen sind nicht Menschen, welche in einer Atmosphäre der Verzweiflung den Kopf gegen die Wand schlagen, sondern sie sind Menschen, die im Kampf gegen sie Sünde in der Kraft des Herrn (nicht in eigener Kraft, wohlgemerkt) in einer Atmosphäre des Sieges der neuen und ewigen Welt entgegengehen. Das Leben eines Christen, welcher in eigener Kraft den Sieg über die sündigen Regungen seines Fleisches erlangen möchte, finden wir in Rö 7. In Rö 8 finden wir hingegen das Leben eines gereiften Christen, welcher es gelernt hat, in der Gewissheit der bereits geschehenen Errettung in seinem täglichen Kampf auf die Kraft Christi zu vertrauen, und nicht mehr auf seine eigene Kraft. Auch dort gibt es zwar noch Seufzen (8,22-23), aber der Standpunkt des Christen und die Zielrichtung sind klar.

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